EINE BENEFIZ-LAUF-STORY

Der Lauftreff der Heimstatt Röderhof. Geschichte, Rückblick und Anekdoten von Franz-Paul Bock.

Der Lauftreff Röderhof ist Kern und Ursprung des Röderhof-Benefizlaufes. Franz-Paul Bock, Gründer des Lauftreffs, berichtet über die Anfänge, Entwicklungen und Geschichten des Lauftreffs am Röderhof. Franz-Paul Bock arbeitet seit 1991 in der Heimstatt Röderhof und leitet zurzeit die Außenstelle Haus Gertrudenberg. Schon Anfang der 1990er Jahre erkannte er die positive Auswirkung von Sport und Bewegung auf stark verhaltensauffällige Menschen mit geistiger Beeinträchtigung. So begann er mit einigen Bewohnern ein Lauftraining. Bis heute läuft er im Alltag mit Bewohnern und Mitarbeitern des Röderhofes und nimmt mit dem Lauftreff regelmäßig an Volksläufen in der Region teil.

Der Beginn: Therapeutisches Laufen​

Der Beginn: Therapeutisches Laufen​

Durch eigene Erfahrungen habe ich festgestellt, dass das Laufen nicht nur körperliche Veränderungen (Kreislauf, Kondition, Übergewicht, Immunsystem usw.) sondern auch psychische Verbesserungen mit sich bringt. So ist man nach einem Lauf ausgeglichener, Aggressionen werden abgebaut, Probleme können während eines längeren Laufes gelöst werden (Die Zeit ist vorhanden, eine Störung tritt nicht auf, Gedanken können geordnet werden.). Insgesamt fühlt man sich ausgeglichener und zufriedener. Also war die Überlegung nicht fern, das Laufen auch für unsere verhaltensauffälligen Bewohner anzubieten.

Der Start: Erstes Laufangebot

Der Start: Erstes Laufangebot

Ich startete ein Laufangebot mit einem Bewohner. Sein Verhalten besserte sich. Zur Motivation starteten wir bei einigen Volksläufen. Das war vor über zwanzig Jahren. Der Bewohner ist heute noch in unserem Lauftreff aktiv. Etwas später wurden noch andere Bewohner unserer Wohngruppe in das Angebot mit einbezogen.

Natürlich blieb diese Aktion nicht unbemerkt und einige Bewohner aus anderen Wohnbereichen hatten den Wunsch mitzulaufen. Frau Sabine Macinski, eine Kollegin aus meinem Wohnbereich und ich besuchten ein kleines Seminar, in dem es um Laufen mit geistig behinderten Menschen mit Verhaltensauffälligkeiten ging und wir überlegten uns, einen Lauftreff zu gründen. Bei dem o. g. Seminar erhielten wir unter anderem ein Laufprogramm, nach dem ein untrainierter Mensch innerhalb von 12 Wochen in der Lage sein soll, 30 Minuten durchzulaufen. Ich testete dieses Programm mit meiner Tochter Sophie-Marie und deren Schulfreundin, Jennifer. Beide damals zehn Jahre alt. Beide erreichten das Ziel nach 12 Wochen ohne Probleme.

Lauftherapie mit Musik, Cola und Bratwurst

​Lauftherapie mit Musik, Cola und Bratwurst

Nun boten wir, wir nannten es, eine „Lauftherapie“ an. Dazu wurde das o. g. Laufprogramm auf unsere Bewohner angepasst, also verlängert. Zur Motivation liefen wir immer wieder andere Strecken (unter anderem liefen wir auch um den Hohnsensee), machten unterwegs Laufspiele und achteten darauf, dass die Läufer sich zwar anstrengten aber nicht überfordert worden. Beim Erreichen der Hälfte des Ziels wurde ein „Bergfest“ gefeiert mit viel Musik, Cola und Bratwurst. Nach Erreichen des vollen Ziels gab es für jeden Teilnehmer eine Urkunde und einen kleinen Pokal. Wieder gab es natürlich viel Musik, Cola und Bratwurst. Es waren Bewohner und Mitarbeiter aus vielen Bereichen der Einrichtung zugegen.

Regelmäßiges Training und erste Volksläufe

Regelmäßiges Training und erste Volksläufe

Jetzt wurde dreimal wöchentlich, montags, mittwochs und freitags trainiert. Wir bildeten Gruppen in denen nach individueller Stärke gelaufen wurde. Die Strecken hatten eine Länge von 1.500m bis knapp über 10.000m. Zur Motivation überlegten wir uns Teilnahmen an Volksläufen in unserer Umgebung. Die erste Teilnahme an einem dieser Volksläufe war am Soltmannlauf in Bad Salzdetfurth am 11. September 2005! Wir gaben in jeden Bereich eine schriftliche Information über diesen Termin. Alle Athleten wurden namentlich benannt. Wir starteten auf der 1.000m-, 5.000m- und 10.000m-Strecke. Diese Aktion war ein voller Erfolg. Alle Läufer erreichten wohlbehalten das Ziel und kehrten stolz in die Heimstatt zurück.

Regelmäßige Teilnahme an Volksläufen

Regelmäßige Teilnahme an Volksläufen

Bis heute starten wir jährlich, Ausnahme das Corona-Jahr 2020, an fünf bis acht Volksläufen. Ein Kollege, Mathias Hollemann, gründete eine Walkinggruppe. Auch die Walker nehmen an Volksläufen teil, wenn eine Walkingstrecke angeboten wird. Es gehen immer noch die Informationsschreiben in alle Bereiche der Einrichtung. Wir sammeln die erlaufenen Urkunden, die am Ende der Laufsaison im Haus Gertrudenberg, Bad Salzdetfurth bei einer großen Feier mit viel Musik, Cola und Bratwurst im Rahmen einer Siegerehrung verteilt werden. Seit einigen Jahren ist auch der Spielmannszug des Bergmannsvereins Bad Salzdetfurth zugegen und spielt auf.

Die Volksläufe sind unter anderem die herausragenden jährlichen Events unseres Lauftreffs. Das Laufjahr beginnt seit 2006 mit der Teilnahme am Wedekindlauf in Hildesheim im April. Außer 2020 waren wir immer dabei. Ein weiterer fester Termin sind der Wohldenberger Waldlauf, Minervalauf Hildesheim, Sundernlauf Diekholzen und seit einigen Jahren die Hönzer Laufparty. Wir sind aber auch schon bei dem Aegedius-Lauf in Hannover, Soltmannlauf in Bad Salzdetfurth, Holler Burgenlauf, Solidaritätslauf in Hildesheim, KKH-Lauf in Hannover, Ambergaulauf in Volkersheim, Finkenberglauf in Sorsum gestartet. Wir sind bei vielen anderen an Volkläufen teilnehmenden Läufer bekannt. 

Der Lauftreff kündigt den Lauf um die Welt an! 

Ein echtes Highlight: Hannover-Marathon

Ein echtes Highlight: Hannover-Marathon

Ein herausragender Lauf war die Teilnahme am Hannover Marathon 2015, hier allerdings nur 10km. Zu unserem 10jährigen Bestehen gönnten wir uns diese Aktion. Samstag waren die Läufer, die nicht so weit laufen konnten an der Reihe und Sonntag 10km Laufen und 10km Walken. Es war einer der schönsten Volksläufe, an denen wir teilnahmen. Allein schon die vielen Teilnehmer und dazu zigtausende Zuschauer. Auf jeden Meter wurden wir angefeuert. Die Beifallswelle trug uns gewissermaßen bis ins Ziel.

Ein besonderes Erlebnis

Ein besonderes Erlebnis

Eine Besonderheit gibt es zum Minerva-Lauf zu berichten. Der erste Minerva-Lauf fand im selben Jahr wie der 1. Röderhof-Benefiz-Lauf statt. Wir waren bisher immer dabei. Einmal wurde der Lauf wegen eines Unwetters am Start abgesagt. Das haben wir bisher erst einmal erlebt. Die zweite Besonderheit dieses Laufes ergibt sich aus einer Belohnung für das Team mit den meisten Teilnehmern. Die Organisatoren, Sportstudenten der Universität Hildesheim, wollten dieses Team einen Tag in der Turnhalle sportlich betreuen. Wir waren das Team mit den meisten Teilnehmern und die Studenten mussten sich speziell auf unsere Bewohner vorbereiten. Sie hospitierten im Haus Gertrudenberg, um unsere Bewohner kennenzulernen.

Im folgenden Jahr waren wir dann nicht das Team mit den meisten Teilnehmern. Weil aber die Aktion im Vorjahr sowohl bei den Studenten als auch bei unseren Bewohnern so guten Anklang fand, wurde noch einmal so ein schöner Tag für uns organisiert. Nun baute die Dozentin Prof. Dr. Vera Volkmann diese Aktion mit in das Studienprogramm der Sportstudenten ein, um so den Studenten die Gelegenheit zu geben auch mit geistig behinderten Menschen zu arbeiten. Seit dem findet jährlich unser Sport- und Bewegungsfest in der Turnhalle der Universität Hildesheim statt. Unsere Bewohner freuen sich das ganze Jahr auf diesen Event.

Franz-Paul Bock und der Lauftreff geben den Startschuss zum 12. Röderhof-Benefiz-Lauf.

Teilnehmerzahlen

Teilnehmerzahlen

Seit Bestehen des Lauftreffs nahmen immer 20 – 25 Akteure an den Aktivitäten unseres Lauftreffs teil. Es waren auch schon mehr aber auch mal weniger. Das ist auch mit der Fluktuation sowohl der Bewohner als auch der Mitarbeiter zu erklären. Es nehmen auch Sportler die nicht zur Heimstatt Röderhof gehören teil. Zu unserem Betreuerstamm zählen auch ehrenamtliche Betreuer.

Laufen, Inklusion & Glücksfaktor

Laufen, Inklusion & Glücksfaktor

Gerade im Zeitalter der Inklusion stellen wir immer wieder fest, dass das Laufen eine enorme inklusive Bedeutung hat. Alle laufen zu gleichen Bedingungen und werden nach ihrer Leistung ohne Rücksicht auf Behinderung in der entsprechenden Laufstrecke auf der Ergebnislist platziert. Trotzdem befinden sich unsere Athleten nicht unbedingt am Ende einer Ergebnisliste. Es sind sogar Läufer dabei, die ihre gelaufene Zeit im oberen Drittel wiederfinden. Was will man mehr?

Laufen hat eine sehr hohe Effizienz. Wie Anfangs schon beschrieben, wird mit einem geringen Aufwand ein sehr gutes Ergebnis erzielt. Gerade bei unseren Bewohnern zeigt sich immer wieder, wie sich die Verhaltensauffälligkeiten verringern und auch sie zufriedener durchs Leben gehen. Unsere Athleten sind stolz auf ihre Leistung und haben viel Spaß.

Franz-Paul Bock