EINE BENEFIZ-LAUF-STORY

Interview mit Franz-Paul „Laufvater“ Bock.

„Laufvater Paul Bock“ gehört zu den Röderhofer Urgesteinen. Seit 1991 arbeitet er in der Heimstatt und leitet zurzeit die Außenstelle Haus Gertrudenberg. Schon Anfang der 1990er Jahre erkannte er die positive Auswirkung von Sport und Bewegung auf stark verhaltensauffällige Menschen mit geistiger Beeinträchtigung. So begann er mit einigen Bewohnern ein Lauftraining. Paul konnte immer mehr Kolleg*innen und Bewohner*innen für das Laufen begeistern und gründete den Lauftreff, mit dem er bis heute nicht nur regelmäßig im Alltag läuft, sondern auch an unzähligen Volksläufen in der Region teilgenommen hat. Gemeinsam mit Dr. Classen und Dr. Peltner rief Paul 2009 den Benefizlauf ins Leben.​

Lieber Paul, wie bist Du zum Laufen gekommen? Was gibt es Dir, zu laufen?

Lieber Paul, wie bist Du zum Laufen gekommen? Was gibt es Dir, zu laufen?

Ganz einfach: „Vom Saufen zum Laufen!“ Ich bin Alkoholiker und habe1990 eine Therapie gemacht. Seit dem lebe ich abstinent. Bei der Therapie wurde auch das Laufen angeboten. Schon nach kurzer Zeit habe ich bemerkt, dass mir das Laufen viel bringt. Innere Ausgeglichenheit, Fitness und eine gewisse Zufriedenheit stellten sich bald ein. Bis heute habe ich mit dem Laufen nicht aufgehört!

Läufst Du liebe allein oder mit anderen? Was gibt es Dir, mit Menschen zu laufen?

Läufst Du liebe allein oder mit anderen? Was gibt es Dir, mit Menschen zu laufen?

In der Regel laufe ich lieber in Begleitung. Die Motivation steigt, egal ob ich schneller bin und andere mitziehe oder langsamer und mich ziehen lasse.

Allerdings ist auch ein Lauf allein ganz schön. Hier muss ich keine Rücksicht nehmen, kann mich voll auf mich konzentrieren. Kann meine Gedanken ordnen, in meinen Körper hereinhören (kann auch sehr interessant sein!).

Warum so viel Engagement für den Röderhof-Benefiz-Lauf?

Warum so viel Engagement für den Röderhof-Benefiz-Lauf?

Die offizielle Idee für den Röderhof-Benefiz-Lauf kam bei einem Neujahrsempfang der Heimstatt Röderhof. Ich wurde zu den Herren, die gerade darüber sprachen, an den Tisch gebeten, um meine Meinung darüber zu äußern. Was niemand von ihnen wusste, war die Tatsache, dass so etwas schon immer mein Wunsch war. Tatsächlich habe ich immer auf die richtige Gelegenheit gewartet, bei so einem Projekt dabei zu sein. Ich hatte auch schon vorher mit anderen über so ein Vorhaben gesprochen, habe aber nie geglaubt, dass es einmal etwas wird!

Anfang der 90er Jahre gab es einmal eine Reportage im ZDF über einen Betreuer, der mit zwei Menschen mit geistige Beeinträchtigung gelaufen ist und diese für einen Marathon-Lauf trainiert hat. Das hat mich irgendwie inspiriert!

Bei welchen Läufen machst Du selbst mit?

Bei welchen Läufen machst Du selbst mit?

Regelmäßig trainiere ich bei den Läufen montags, mittwochs und freitags. Hier laufe ich mit einem Bewohner ca. 7km – 10km. Zu Haus laufe ich diese Distanz mit meinem Hund Harald.

Bei Volksläufen bin ich immer dabei und laufe die 10km-Strecke mit dem entsprechenden Bewohner. In unserer Region haben wir schon an sehr vielen Volksläufen teilgenommen. Jeder Volkslauf hat sein eigenes Flair und ist etwas Besonderes.

​Verrätst Du uns Deine Lieblingsstrecke?

​Verrätst Du uns Deine Lieblingsstrecke?

Lieblingsstrecken kann ich nicht benennen. Es kommt immer auf meine körperliche Form und seelische Verfassung an. Mal möchte ich weit laufen, mal viele Höhenmeter. Einen sehr schönen Lauf hatte ich mal auf Rügen. Ich war an der Ostsee-Küste, lief um einen See, musste mit einer Fähre übersetzen und hügelig war es auch. War ein tolles Erlebnis.

Vor kurzem bin ich mit meiner Nichte Katharina den Brocken hoch- und runtergelaufen. Die vielen von uns überholten Wanderer gaben uns eine extra Portion Motivation. Auch ein tolles Erlebnis.

Mit meinem Sohn, Jan-Paul, bin ich gelaufen, als er noch im Kinderwagen war. Wir kauften eine „Dreiradkarre“. Ich baute einen Kilometerzähler an eines der Räder, um die Entfernungen zu messen, die wir so absolvierten. Anfangs wunderte ich mich, warum die Leute, die uns begegneten immer so freundlich grüßten, bis ich feststellte, dass mein Sohn in der Karre seine Späßchen mit Ihnen machte!

Was ist für Dich das Besondere am Benefizlauf?

Was ist für Dich das Besondere am Benefizlauf?

Wir haben eine Gelegenheit geschaffen, die es allen Bewohnern und deren Verwandten und Bekannten und Mitarbeitern der Heimstatt Röderhof ermöglicht, gemeinsam an einer Aktion teilzunehmen.

Deine persönlich „verrückteste“ Geschichte?

Deine persönlich „verrückteste“ Geschichte?

Frau Kuhlke von der Hildesheimer Allgemeinen Zeitung  rief mich zu Hause an und lud mich und eine kleine Abordnung unseres Lauftreffs zum Sportlerball der HiAZ 2015 ein. Sie meinte, es seien noch Plätze frei, und weil schon mal über uns geschrieben wurde könnten wir dort erscheinen. Über eine Ehrung fiel kein Wort. Ich fuhr mit meiner Kollegin Sabine Macinski und dem Bewohner Marcel (der Läufer mit dem ich mal angefangen habe) zum Sportlerball. Als nun der Chefredakteur der HiAZ, Herr Schipanski, mit seiner Laudatio für die Ehrung begann meinte ich noch zu S. Macinski wer da nun geehrt werde. Eigentlich sollten die auch mal an uns denken. Aber als dann der Röderhof-Benefiz-Lauf in der Laudatio benannt wurde, blieb mir doch die Spucke weg. Ich wurde tatsächlich geehrt. Die Überraschung war gelungen. Es war ein sehr schöner Abend und wir reden noch heute von und über diese Ehrung.

​Was ist Dein großes Ziel für den Benefizlauf?

Was ist Dein großes Ziel für den Benefizlauf?

Endlich mal über 1.000 Teilnehmer am Start zu haben.

Dein Geheimtipp fürs „erfolgreiche“ Laufen?

Dein Geheimtipp fürs „erfolgreiche“ Laufen?

Mit dem zufrieden sein, was man erreicht. Es kommt nicht darauf an, der schnellste zu sein oder einen Marathon zu laufen, sondern sich zu bewegen. Das Gefühl nach einem Lauf gibt einem viel. Auch nach Tiefschlägen oder Krankheiten nicht aufgeben. Immer wieder klein anfangen. Sich nicht überschätzen!

Liebe Paul, vielen Dank!